Inhalt Die alte St.-Andreas-Kirche in Uster Burg Uster Nänikon Bühl – Burg, Kapelle und Friedhof Nänikon Bühl – Bilder der archäologischen Ausgrabung von 1992–94 Anhang: Bossenquader mit Randschlag |
Mittelalterliche Bauten auf dem Gemeindeboden von Uster vor
1300.
Fabrice Burlet
Aus der
Zeit
bis ins 13. Jh. haben sich auf dem heutigen Gemeindeboden kaum Gebäude
erhalten. Wir wissen also in archäologischer Hinsicht fast nichts.
Ebenso sprechen die Urkunden im 13. Jh. nur Burg und Kirche an. 1300
werden bei der Verpfändung der Herrschaft Greifensee Höfe genannt (der
Loubishof in Uster, zu dem die Kirche gehörte, je ein Hof in
Niederuster, Nossikon, Werrikon und Nänikon), was deren Existenz
nachweist, aber nichts über ihr Aussehen aussagt. Somit ist die
Siedlungsstruktur kaum zu fassen. Denn erst ab dem 15. Jh. sind
verschiedene Kapellen und allenfalls die ältesten Teile gewisser
Bauernhäuser nachweisbar.
Immerhin
lässt sich für die Zeit bis 1300 über drei Örtlichkeiten etwas
aussagen: 1. Die Burg Uster, 2. die alte Kirche Uster und 3. Burg und
Kapelle auf dem Bühl in Nänikon. Von der mittelalterlichen Burg Uster
haben sich Baureste im heutigen Schloss erhalten, während auf dem Bühl
in Nänikon anlässlich einer Überbauung die Fundamente eines Turmes und
einer Kapelle archäologisch untersucht werden konnten. Über die alte
Kirche Uster, welche an der Stelle der heutigen Kirche stand, sind wir
nur dank Bildern und eines Planes unterrichtet.
Die
alte St.-Andreas-Kirche in Uster
Beschreibung
Die alte Kirche von Uster wurde
1823 abgebrochen, um der heutigen Kirche zu weichen. Ihr Aussehen ist
dank Zeichnungen und einem Plan mehr oder weniger bekannt. Diese
Zeichnungen sind nicht unbedingt detailgetreu, da es den Künstlern oft
nicht um Detailtreue ging, sondern um eine künstlerische Gesamtschau
von Uster oder von Kirche und Burg. Auch bei den detailgetreuen
Zeichnern ist man nicht unbedingt bei jedem Detail sicher, was nun der
Künstler darstellen wollte und was er wirklich gesehen hatte.
Dennoch kann man sich ein
Gesamtbild der 1823 abgebrochenen Kirche machen: Es handelte sich um
eine dreischiffige Kirche, welche am Hang erbaut worden war. Deswegen
war das Terrain gegen Westen erhöht, im Osten aber etwas abgetragen
worden. Das Langhaus hatte vier Joche. Die drei Schiffe waren durch
Pfeiler voneinander getrennt. Das unebene Gelände und möglicherweise
frühere Bauphasen (?) hatten zur Folge, dass die Arkaden im Norden
breiter waren, während der Chor mit Polygonabschluss leicht gegen
Süden gedreht war. Am östlichen Ende des südlichen Seitenschiffes
stand der quadratische Glockenturm. Das nördliche Seitenschiff wurde
von einer Kapelle, der St. Peter- oder Landenberger-Kapelle,
abgeschlossen. Der Ostabschluss der Kapelle war im Innern halbrund,
gegen aussen jedoch gerade. Im Norden war eine Sakristei an die
Kapelle angebaut worden.
In die Kirche gelangte man durch
den grossen, spitzbogigen Westeingang sowie über eine kleinere Tür in
der Südfassade. Über dem Westeingang befand sich ein grosses
(Masswerk-?) Fenster. Die Westfassade war zudem durch zwei
Strebepfeiler gegliedert, welche in der Verlängerung der Arkaden im
Kircherinnern standen. Die Seitenschiffe scheinen beide durch gotische
Masswerkfenster beleuchtet worden zu sein. Die drei Kirchenschiffe
waren durch ein einheitliches Satteldach gedeckt. Die ehemalige
Ustermer Kirche kann somit als Staffelhalle bezeichnet werden.
Der zum Teil aus grossen,
regelmässig zugespitzten Steinquadern bestehende Glockenturm war durch
horizontale „Gesimse“ gegliedert und von einem achteckigen Spitzhelm
gekrönt. Im obersten Geschoss befand sich die Uhr. Das zweitoberste
Geschoss wies gekoppelte Rundfenster auf.
Die
bisherige
Hypothese zur Bauentwicklung und deren kritische Hinterfragung
1. Die romanische, 1099 geweihte
Kirche: eine dreischiffige, vierjochige Pfeilerbasilika mit einem auf
Mittelschiffbreite eingezogenen Chor und Turm (ohne die
„Landenbergerkapelle“ am östlichen Ende des Nordseitenschiffes). Das
Mittelschiff war einiges höher als die Seitenschiffe, so dass es oben
Fenster aufwies (Basilika). 2. Die 1353 erfolgte Verlängerung
des nördlichen Seitenschiffes durch eine Kapelle (Kläuis
„Landenbergerkapelle“).
Doch die hier geschilderte
Bauabfolge ist nicht gesichert. Paul Kläui selbst hatte schon auf die
Unsicherheiten bei der Beurteilung des Grundrisses und der Zeichnungen
hingewiesen, um dennoch diese Abfolge vorzuschlagen. Dabei stützte er
sich zusätzlich zum Bildmaterial auf das Jahrzeitbuch von 1469–73 und
auf den vergleichbaren Kirchengrundriss der Kirche von Oberwinterthur. Gehen wir jedoch wie Kläui davon
aus, dass es sich bei der 1823 abgebrochenen Anlage um eine
dreischiffige romanische Kirche handelte, welche insbesondere im 15.
Jh. einenm grösseren Umbau unterworfen wurde, so ist die von Kläui und
Gubler vorgeschlagene Bauabfolge nicht zwingend. Denn auch bei der
Annahme einer ursprünglichen romanischen Basilika kann man sich die
Bauabfolge durchaus anders vorstellen. Die Problematik der Sache
beginnt schon mit dem Gründungsjahr 1099. Kläui geht davon aus, dass die
Kirche erst 1099 errichtet und geweiht wurde. Vielleicht wurde die
Kirche tatsächlich anlässlich eines Neubaus 1099 neu geweiht. Doch ist
das Jahrzeitbuch von Uster, das aus dem 15. Jh. stammt, keine
zuverlässige Quelle. Hätte man im 15. Jh. die Kirchengeschichte nicht
mehr gekannt, so hätte man eine Gründungsgeschichte erfinden müssen.
Fände man das Jahr 1099 auch in einem älteren Dokument, wäre es als
Jahr der Weihe erwiesen. 1099 ist zwar als Jahre der Weihe nicht
unmöglich, doch nicht besonders wahrscheinlich. Der Weihebericht vom
30. November 1099 ist auf der ersten Seite des Jahrzeitbuchs von
1469–73 aufgenommen worden und dient zusammen mit Abschriften von
Ablässen und weiteren Notizen dazu, die Geschichte der Kirche und
ihrer Altäre zu präsentieren. Zudem wird die Bedeutung der
Landenberger, welche die Kirche ab 1300 besassen, schon in der
Gründungsgeschichte betont. Dabei handelt es sich um eine
Zusammenstellung des 15. Jh.s, welche damals bekannte Elemente in die
Vergangenheit projiziert. So sei am 30. November 1099 nebst dem
Hauptaltar auch der über dem Landenberger Grab liegende Petrusaltar
geweiht worden. Doch gab es 1099 noch keine Herren von Landenberg und
somit auch kein Landenberger Grab. Dem um 1470 schreibenden Verfasser
des Jahrzeitbuches ging es also nicht um eine wahre Geschichte,
sondern um die Aufzeichnung einer für den Leser plausibel wirkenden
Geschichte der Kirche von Uster, welche aktuelle Elemente mit einer
weit zurück liegenden Vergangenheit verknüpfte.
Das Datum 30. November ist passend
gewählt, denn es ist das Fest des Apostels Andreas, dem die Ustermer
Kirche geweiht war. Doch ist es fraglich, ob Bischof Gebhard von
Konstanz den Altar des heiligen Andreas tatsächlich am treffenden
Festtag weihen konnte. Also könnte das Datum konstruiert sein. Ebenso
kann das Jahr 1099 eine Fiktion sein, denn ausgerechnet in diesem Jahr
wurde Jerusalem anlässlich des ersten Kreuzzuges von den Christen
erobert.[2]
Auch wenn die erste Seite des Jahrzeitbuches eine fiktive Geschichte,
eine Projektion der Zustände des 15. Jh.s, auf die Vergangenheit
darstellt, ist eine „wahre“ Grundlage für das Jahr 1099 nicht völlig
ausgeschlossen. Nehmen wir das Jahr 1099 als
richtig an, so ist dies nicht zwingend das Baujahr der ersten Ustermer
Kirche. Denn eine 1099 erfolgte Weihe eines Kirchenneubaus schliesst
die Existenz einer älteren, seit dem Frühmittelalter bestehenden
Kirche ganz und gar nicht aus. 1099 könnte somit ebenso gut als das
Jahr der Weihe eines Neubaus und Ersatzes einer älteren Kirche
gedeutet werden.
Wenn man den Kirchengrundriss
genauer betrachtet, so wird klar, dass der dreischiffige Grundriss und
insbesondere der Bereich der St.-Peter- oder Landenbergerkapelle eine
gewisse Parallele zum um 1100 begonnenen Grossmünster hat: die
hintermauerte resp. aussen gerade abgeschlossene Apsis. Deswegen
könnte man annehmen, dass ein 1099 in Uster geweihter Kirchenbau
durchaus Elemente aus dem sich zur gleichen Zeit in Bau befindenden
Grossmünster übernahm. Was den Kirchturm angeht, so kann
er in seinem Grundriss aus der Zeit um 1100 stammen, auch wenn in
dieser Zeit nicht an jeder Kirche auf der Landschaft ein Turm zu
erwarten ist. Damals gab es natürlich schon seit langer Zeit
Kirchtürme. Doch gibt es auch Gründe gegen einen Ustermer Glockenturm
um 1100: die gekoppelten romanischen Fenster im zweitobersten Geschoss
(Uhr und Helm sind nach dem Einsturz des Turmhelms von 1655 neu
errichtet worden) müssen nicht aus der Zeit um 1100 stammen. Im
Gegenteil: Auf den meisten Abbildungen erscheinen sie späteren Datums
zu sein (15./16. Jh.?) und nicht dem romanischen Baustil anzugehören.
Gerade dort, wo Doppelfenster wirklich der Romanik zu entsprechen
scheinen, ist der Verdacht auf eine viel jüngere, nachgeahmte Romanik
nicht von der Hand zu weisen. Zudem könnten die waagrechten Gesimse am
Turm aus dem 15./16. Jh. stammen und nicht zur Romanik gehören. Ebenso
scheinen die Ecksteine der oberen Turmpartie auch einiges jünger zu
sein. Gleiche Unsicherheiten herrschen auch für die unteren
Turmpartien: Zuunterst ist so etwas wie eine vermauerte Arkade zu
sehen: Wenn es sich dabei nicht um den Gewölbeansatz des Chores
handelt, so ist der Turm erst nachträglich entstanden, was die
Zumauerung einer früheren Arkade zur Folge hatte. Sicher ist: Der
Kirchturm hatte im Jahr 1553 Bestand. Damals wurden nämlich
Verhandlungen für einen neuen, verstärkten Glockenstuhl geführt. Damit
bleibt unklar, ob der Turm Teil einer um 1100 erstellten Basilika sein
könnte oder erst später beigefügt worden ist. Was den polygonalen Chorabschluss
anbelangt, so macht es mit Blick auf andere Kirchen Sinn, dass er im
15. Jh. entstanden ist, um 1669 erneuert zu werden. Somit könnte es sein, dass die
mutmassliche ursprüngliche Pfeilerbasilika schon die St.-Peterskapelle
beinhaltete und wenn keinen Turm, so vielleicht einen ähnlichen
Ostabschluss des südlichen Seitenschiffes wie im Norden
(St.-Peterskapelle) aufwies. Oder sollten wir im letzteren Fall analog
zur Grossmünster-Südseite an eine ganz gewöhnliche Apsis denken?
Jedenfalls werfen wir nun einen Blick auf die St. Peterskapelle, die
wir auch mit dem Grossmünster vergleichen können, von Kläui jedoch auf
das Jahr 1353 datiert wird. Der von Kläui 1353 angesetzte Bau
der St.-Peters- oder „Landenberger-Kapelle“ ist kaum zu halten, da der
zitierte Auszug aus dem Ustermer Jahrzeitbuch zum Jahre 1353 von einer
Reliquienschenkung durch Otto von Rinegg an Hermann von Landenberg
spricht, jedoch keine Bauarbeiten erwähnt. Unmittelbar vor der
Reliquienschenkung von 1353 wird im Jahrzeitbuch die 1099 erfolgte
Weihe des Peter-Altars genannt, der sich in der Kapelle neben dem
(Haupt-)Altar und über dem Grab der Landenberger befinden soll. Auch
wenn dieser Textausschnitt mit der Nennung eines Landenberger Grabes
1099 fiktiv ist, würde er
den Altar und wohl damit die Kapelle – d.h. den Ostabschluss des
nördlichen Seitenschiffes – vor 1353 ansetzen. Wichtig ist, dass 1353
von keinen Bauarbeiten die Rede ist. Ebenso werden auf Seite 3 des
Jahrzeitbuches Schenkungen der Landenberger zugunsten der Kirche Uster
aus dem Jahre 1350 genannt, um von etwa zeitgleichen Beurkundungen der
Landenberger gefolgt zu werden: die Gründung der Kapelle (heutige
Kirche) in Greiffense, die Gründung der dortigen Schlosskapelle, die
Spenden für das ewige Licht in der St. Peterskapelle und die Gründung
einer Pfründe am Altar derselben Kapelle. Hingegen wird weder von der
Gründung einer Kapelle in der Ustermer Kirche, noch von Bauarbeiten
gesprochen. Damit lässt sich weder der eigentliche Bau der St.
Peterskapelle datieren, noch das dortige Landenberger Grab, das mit
dem Erwerb der Kirche Uster durch das Geschlecht von Landenberg im
Jahre 1300 überhaupt möglich wurde. Immerhin wurde laut Kläui die
Umgebung des Altars verändert, insofern dieser nicht verschoben wurde. Um die Spenden der Landenberger
zugunsten der Kirche Uster mit Bauarbeiten – in unserem Falle mit dem
Bau einer neuen Kapelle – in Verbindung zu bringen, bräuchte es mehr
Anhaltspunkte, als nur die Überlegungen, dass Spenden auch zum Bau
verwendet werden können. Auch wäre es nahe liegend, dass beim Empfang
von Reliquien, bei der Spende eines Lichtes und der Dotation einer
Pfründe am St. Petersaltar der Altar selbst und seine Umgebung gewisse
Modernisierungen erfahren haben dürften. Weder ist dies erwiesen, noch
kann über den Umfang solcher vermutlichen Arbeiten eine Aussage
getroffen werden. Schlussendlich gibt dies Kläui selbst zu, indem er
in der zu 1353 passenden Fussnote folgendes anmerkt: „Das Datum der
Reliquienschenkung 1353 dürfte mit dem Bau der Petruskapelle
zusammenfallen,“[3]
um auf eine weitere Begründung für seine im Text immer wiederkehrende
Landenbergerkapelle aus dem Jahre 1353 zu verzichten. Will man eine
1099 geweihte romanische Kirche in Betracht ziehen, so sind meiner
Meinung nach der Vergleich mit dem Grossmünster und ein schon um 1100
erfolgter Bau von Kläuis „Landenberger-Kapelle“ plaubibler als ein
bereits 1100 bestehender Kirchenturm. Fazit: Zeugnisse der alten Kirche
von Uster sind der Grundrissplan und die zeichnerischen Darstellungen.
Sie zeigen den Zustand der Kirche vor ihrem Abbruch und damit ihr
Erscheinungsbild des 15. Jh., das einige Änderungen des 17. Jh.s
aufweist. Ältere Kirchenteile sind kaum mit Sicherheit auszumachen. Es
kommen drei Varianten in Frage: 1. Die Kirche ist das Produkt mehrer
Bauphasen, welche einen dreischiffigen Grundriss nicht von Anfang an
vorsahen. 2. die Variante einer romanischen Kirche in jener Art, wie
sich Kläui und Gubler eine solche vorstellten, und 3. die hier
vorgebrachte Variante einer romanischen Kirche mit anderen Bauphasen,
als es Kläui und Gubler postulierten. Zudem lässt sich die durchaus
mögliche Existenz einer frühmittelalterlichen Kirche in Uster nicht
beweisen. Vielleicht wäre es lohnend, wenn
ein Architekturhistoriker die Bilder der Kirche nochmals unter die
Lupe nähme. Vielleicht kommt er nicht weiter als das hier berichtete
oder vielleicht doch![4] Literatur Beck, Marcel: Die Patrozinien der ältesten
Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau (Schweizer Studien zur
Geschichtswissenschaft; Band 17, Heft 1), Zürich 1933, S. 120–123. Gubler, Hans Martin: Die
Kundstenkmäler des Kantons Zürich. Band 3. Die Bezirke Pfäffikon und
Uster, Basel 1978, S. 372–382. Kläui, Paul: Geschichte der
Gemeinde Uster, Zürich 1964, S. 38–45 (=Kapitel 5), insbesondere S.
38–40 für die (angebliche?) Weihe von 1099 und die Baugeschichte, und
S. 82–103 (=Kapitel 10), wobei S. 84–85 mit Anmerkung 4 die
St.-Peters- oder Landenberger-Kapelle behandelt. Schmaedecke, Felicia: Die
reformierte Kirche St. Arbogast in Oberwinterthur: Neuauswertung der
Ausgrabungen und Bauuntersuchungen 1976-1979, mit Beiträgen von Daniel
Grütter [et al.] (Zürcher Archäologie 20). Zürich 2006.Aus
dem Kirchengrundriss und den zeichnerischen Darstellungen heraus kann
man versuchen verschiedene Bauphasen herauszuarbeiten. Nach Kläui und
nach Gubler, der auf die Recherchen des ersteren aufbaute, kann man
sich die Baugeschichte folgendermassen vorstellen:
3.
Der zwischen 1469 und 1473 erfolgte Umbau der Kirche zur Staffelhalle
beinhaltete, die Erhöhung der Seitenschiffwände, die Schaffung des
einheitlichen Dachstuhles über die drei Schiffe, den Umbau der
Westfassade (Strebepfeiler, gotische Tür und Fenster), die Schaffung
von grösseren mit Masswerk geschmückten Fenstern auf der Nordseite
(und vielleicht analog dazu auf der Südseite) und den Anbau der
Sakristei an die Landenbergerkapelle. Möglicherweise ist damals auch
der polygonale Chor entstanden. Jedenfalls wurde der Chor samt der
Sakristei 1669 (auf altem Grundriss?) neu errichtet.
Gemäss neueren Forschungen sind gerade die verschiedenen
Entwicklungsschritte der Kirchen von Winterthur und Oberwinterthur
Beispiele dafür, dass eine erste Kirche immer wieder umgebaut und
verändert werden konnte, so dass der Kirchengrundriss allein
(insbesondere bei einem unregelmässigen Grundriss), ohne archäologische
Untersuchungen nichts über die bauliche Entwicklung aussagt. Der nicht
ganz regelmässige Ustermer Kirchengrundriss kann somit als Indiz für
eine komplexere Bauabfolge der alten Kirche gewertet werden. Die
Bauabfolge von Kläui und Gubler nimmt also an, dass ein romanischer
Kirchenbau den 1823 bekannten Grundriss massgeblich beeinflusst hat.
Doch ist diese Annahme nicht zwingend. Vielleicht war die Entwicklung
der Kirche von Uster um einiges komplizierter, als es der uns bekannte
Kirchengrundriss nach erster Betrachtung vermuten lässt.[1]
Wir können somit nicht sicher sein, ob der Kirchengrundriss eine eher
einfache bauliche Entwicklung einer ursprünglichen romanischen Kirche
widerspiegelt oder das komplexe Produkt mehrer Bauphasen seit dem
Frühmittelalter darstellt.
Wie dem auch sei, können wir der Idee einer romanischen Kirche um 1100 und
somit das Jahr 1099 als richtig annehmen, insofern wir es
nicht als bewiesene Tatsache betrachten wollen.
Schreiten wir den von Kläui und Gubler vorgeschlagen Weg
fort, so wird ersichtlich, dass ihre Interpretation nicht zwingend
ist, aber der (Neu-?) Bau einer Kirche um 1100 durchaus Sinn machen
kann. Denn der Kirchengrundriss könnte vom Grossmünster beeinflusst
sein. Wo sind nun mögliche romanische Elemente zu suchen und wo nicht?
Die Baugeschichte der Burg Uster
lässt sich anhand des archäologischen Befundes – in unserem Falle des
erhaltenen mittelalterlichen Turmstumpfes – und mit Hilfe der ab dem
15./16. Jh. einsetzenden und ab dem 18. Jh. zahlreichen Bildquellen
und den späteren Schriftquellen recht gut skizzieren. Die Zeit ab 1500
ist dank Kläui und Gubler gut erforscht.
Als erstes ist festzuhalten, dass nicht feststeht, ab wann in Uster eine Burg bestand. Darüber Aufschluss geben könnten nur archäologische Untersuchungen im Untergrund des Burgareals. Solange solche ausbleiben, wissen wir nicht einmal, ob es möglich ist, aus dem Boden Informationen zu einer Vorgängerburg zu sammeln oder umgekehrt die Existenz einer solchen zu widerlegen. Des weiteren stellt sich die Frage, ob die ursprüngliche Burg nur den heutigen Turm mit Anbauten – die heutige Schlossschule – oder die gesamte kleine Bergkuppe „Burg“ umfasste (Kleine Turmburg oder grosse Burg?). Im Übrigen wäre die Frage nach einer früheren Besiedlung der heute noch unbesiedelten Teile des Burghügels zu prüfen. Es ist nämlich nicht unmöglich, dass sich schon die Kelten auf dem Stauberberg niedergelassen hatten.
Die 1964 von Paul Kläui
vorgeschlagene Burg aus dem 11. Jh. ist nicht beweisbar, da sowohl
seine historischen (u.a. auf gefälschten Dokumenten basierend), als
auch seine archäologischen Erwägungen[5]
widerlegt worden sind.
Der
Turm von Uster kommt dem Turm der Burg Grüningen am nächsten: Beide
Türme waren mit Bossenquadern mit Randschlag geschmückt und weisen
einen fast identischen Grundriss auf. Doch kennt man bei beiden Türmen
die ursprüngliche Höhe nicht, da ihr oberer Teil nicht mehr existiert.
Als Beispiel für einen (fast) in seiner gesamten Höhe erhaltenen
Bossenquaderturm ist der Wohnturm der Burg Alt-Wülflingen (Gde
Winterthur) zu nennen, wo wahrscheinlich nicht viel mehr als die den
Turm krönenden Zinnen verloren gegangen sind.
Während der Kunstdenkmäler-Autor
Hans Martin Gubler schon 1978 den Ustermer Turm – im Gegensatz zu
Kläuis Datierung ins 11. Jh. – nicht vor 1200 ansetzte, hat Reicke den
Turm wie die meisten derartigen Türme ins 13. Jh. datiert und
wahrscheinlich bewusst auf einen genaueren Datierungsvorschlag
verzichtet. Solche Türme sind schwer datierbar, ohne andere Hinweise
als die Bossenquader selbst. Der Turm von Uster scheint mir kaum Ende
des 13. Jh.s entstanden zu sein. Doch fehlen bauliche Argumente, um
ihn eher kurz nach 1200 oder um 1250 herum anzusetzen.
Urkunden helfen weiter. Es gibt
gute Hinweise dafür, dass die Freiherren (Nobiles) von Bonstetten
spätestens 1267/68 auf der Burg Uster waren. 1267 erscheint Hermann
von Bonstetten genannt von Uster in einer Urkunde; 1268 urkundet Ita
von Teufen, Gemahlin des Johannes von Wetzikon (Johannes ist
wahrscheinlich ein Bonstetter mit Sitz in Wetzikon) zweimal auf der
Burg Uster. – Die Burg wird also 1268 erstmals erwähnt! – In einer der
beiden Urkunden ist Hermann von Bonstetten als Zeuge genannt. Deswegen
ist anzunehmen, dass die Bonstetter 1267/68 sich in ihrem kurz zuvor
(um 1250?) erbauten Turm, wenn nicht etwas älteren Turm aufhielten
(War der Turm schon im Auftrag des 1219 erwähnten Heinrich von Uster –
ein Bonstetter? – erbaut worden?). Danach ist der Fall klar: Die
Bonstetter sind die Besitzer der Burg Uster. Dies ist so klar, dass in
keiner Urkunde über die Besitzesverhältnisse der Burg spekuliert wird.
Die Burg Uster wird erst 1330 als Besitz der Bonstetter erwähnt. Darum
ist der Beginn der Bonstetter Herrschaft in Uster schwer festzusetzen
(Beginn des 13. Jh., 1267/68 oder ab 1300?). Es mag am Anfang
der Bonstetter Herrschaft Streitereien um die Burg Uster
innerhalb des Adels gegeben haben. Doch waren diese früher oder später
vorbei, so dass die wenigen Urkunden nach diesem Zeitpunkt nur noch
die Bonstetter Herrschaft bestätigen. Die Freiherren von Bonstetten
waren damit zu Freiherren von Uster geworden.
Ob die Burg Uster um 1267/68 – wie
später auf Bildern ersichtlich – nur aus dem Turm und einer ihn
umschliessenden Ringmauer bestand und somit eine ganz kleine Fläche
einnahm (die Verkleinerung einer früheren und grösseren Burg?) oder
den ganzen Burghügel umfasste, ist unbekannt. Wir wissen nur von der
Existenz des Turmes, dessen frühere Höhe unbekannt ist, und dass die
Nobiles von Bonstetten spätestens von 1300 bis 1534 im Besitze der
Burg blieben.
Ab der Zeit um 1500 herum ist die
Baugeschichte der Burg Uster relativ gut nachvollziehbar. 1492 brannte
die Burg ab. Deswegen wurde neben dem Turm ein Holzhaus errichtet. Dies
ist in der Chronik von Johannes Stumpf nachzulesen: „Anno domini 1492
verbran das Schloßz zu Ustri in Grund. Die Bonstetten ließend die
ausgebrennten mauren lær ston und bauwtend ein schœn hauß von
holtzwerck darnebend.“[6]
1526 brannte auch das Holzhaus ab.
In der Folge wurde der Turm umgebaut und die Treppengiebel wurden
geschaffen. Die Bauarbeiten waren wahrscheinlich 1529 beendet. Dieser
Bauzustand ist auf zahlreichen alten Abbildungen zu erkennen. Auch
hier stammt unser Wissen von Stumpf: Batt von Bonstetten liess nach
den Brand den „Turm
oben abwerffen und ein schœn geheüß … drauf setzen.“[7]
1752/53 liess Hauptmann Wilhelm
Schärer von Zürich den Turm ausbessern und erbaute zwei kleine
Wohntrakte auf der Süd- und Südostseite des Turmes. Danach folgten
zwei grössere und einschneidende Umbauphasen.
1852/53 liess Capsar Caspar Heer
die Treppengiebel des Turmes abbauen. Sie wurden durch einen
Zinnenkranz und nach Einsprachen aus der Bevölkerung durch ein
„Belvedere“ in der Mitte der Turmzinne ersetzt. Zudem wurden der Turm
und die Anbauten aus der Zeit Schärers von einem zweigeschossigen
Baukörper ummantelt.
Sein heutiges Aussehen erhielt das
Schloss Uster beim historisierenden Umbau von 1917–1919. Damals wurden
Zinnenkranz und Belvedere samt den obersten zwei Turmgeschossen
abgebrochen. Man rekonstruierte die oberen Geschosse und die ab 1529
(?) bestehenden Treppengiebel. Zudem wurde die bisherige Befensterung
vereinheitlicht. Trotz den Bemühungen um die Rekonstruktion eines
mittelalterlichen Aussehens, ist der heute existierende obere Teil des
Schlossturmes eine etwas roh geratene Kopie des Zustandes um 1529.
Literatur
Gubler, Hans Martin: Die
Kundstenkmäler des Kantons Zürich. Band 3. Die Bezirke Pfäffikon und
Uster, Basel 1978, S. 405–412.
Kläui, Paul: Hochmittelalterliche
Adelsherrschaften im Zürichgau, in: Mitteilungen der antiquarischen
Gesellschaft in Zürich Bd. 40 Heft 1 (1958), S. 37, 47–49.
Kläui, Paul: Geschichte der
Gemeinde Uster, Zürich 1964, S. 30–37 (=Kapitel 4), S. 45–49 (=Kapitel
6) und S. 409–410, wobei die historischen Überlegungen zu den
Winterthurern in Uster ein Konstrukt sind (ausführlicher in Kläui,
Adelsherrschaften, S. 38–46), sowie für den Bau selbst insbesondere S.
45–46.
Reicke, Daniel: «von starken und
grossen flüejen.» Eine Untersuchung zu Megalith- und
Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und
Rhein, (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 22, hsg. v. Schweizerischen Burgenverein)
Basel 1995, S. 133–134 (S. 125–127 für Grüningen, S.
128–129 für Kasteln und S. 125 für Alt-Wülflingen).
Nänikon
Bühl – Burg, Kapelle und Friedhof
Nachdem Ende 1992 in Hinblick auf
eine Überbauung Vorsondierungen vorgenommen worden waren, wurden
1993–94 archäologische Ausgrabungen auf dem Näniker Bühl gemacht. Auch
wenn die Arbeiten zügig vorankamen und dabei gewisse Erdbereiche
maschinell ausgehoben werden mussten (Informationsverlust!), sind
überraschende Relikte unserer Vergangenheit zum Vorschein gekommen: 1.
die Überreste einer Burg, 2. eine Kapelle samt Friedhof.
Von
der Burg konnten die Fundamtente eines Turmes sowie Teile des
Burggrabens nachgewiesen werden. Der Turm, der als Wohnturm gedeutet
werden kann, hatte einen annähernd quadratischen Grundriss von ca.
8.5/10m x 9.5/10m und stammt gemäss der Datierung von verkohlten
Hölzern aus dem 12. Jh. Neben dem Turm befand sich eine
Filterzisterne, welche wahrscheinlich das Wasser vom Turmdach aufnahm.
Der Turm fiel im ersten Drittel
des 13. Jh.s einer Brandkatastrophe zum Opfer. Die Brandursache ist
ungeklärt. Die Fundsituation macht es wahrscheinlich, dass die
hölzernen Geschosse des Turmes samt einer Truhe, welche 212
Geschossspitzen beinhaltete, beim Brand in die Tiefe stürzten.
Jedenfalls wurden die 212 Geschossspitzen und die eisernen
Bestandteile, welche gut zu einer Truhe passen, nahe beieinander
entdeckt.
Im
13. Jh. wurde neben dem Turm eine Kapelle errichtet. Bei dieser
Kapelle handelte es sich um einen Saalbau mit eingezogenem Chor.
Masse: 14m x 8,5m aussen resp. 11,5m x 6m innen für das Kirchenschiff;
3,5m x 4,5m innen für den Chor. Die Kapelle beinhaltete eine
Chorschranke, welche den Chorbereich von der restlichen Kirche, dem
Laienbereich, trennte. Um die Kapelle herum befand sich der Friedhof.
Es scheint, dass die Kapelle erst nach dem Turmbrand entstanden ist.
Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass Turm und Kapelle für kurze
Zeit gemeinsam Bestand hatten.
Im frühen 15. Jh. (?) wurde die
Chorschranke entfernt und ein Bretterboden in die Kapelle eingezogen.
Zur wahrscheinlich gleichen Zeit errichteten die Dorfbewohner von
Nänikon eine Friedhofsmauer. Die Kapelle erscheint 1418 erstmals im
Jahrzeitbuch von Uster (um 1470 verfasst), in welchem auch fromme
Stiftungen für die Kapelle aus dem Kreise der Dorfbevölkerung
verzeichnet wurden. Sie war dem heiligen Johannes geweiht.
Die Kapelle wurde Ende 15. Jh.s
oder anfangs 16. Jh. aufgegeben. Der Versuch eine neue Kapelle im Dorf
selbst zu etablieren, wurde nach der Reformation offenbar durch die
Zürcher Obrigkeit unterbunden, denn es kam nur zum Bau des
Kapellenturmes.
Während die Kapelle immerhin in
Quellen des 15. Jh.s auftaucht, wird die Burg in keinem
zeitgenössischen Dokument erwähnt. Hingegen erscheinen im 13. Jh.
Ritter von Nänikon, ohne dass ein Zusammenhang dieser Ritter zur Burg
bewiesen werden kann. In seiner Schweizer Chronik spricht Stumpf 1547
nur noch von einer abgegangenen Burg, aber nicht von der Kapelle:
„Auff
der rechten seyten, schier umb die mitte des Sees, zwüschend Ustri und
Gryffensee dem stättle, ein wenig vom See hindan, ligt ein dorff in
die pfarr Ustri gehörig, genennt Nänickon, mit einem alten zergangnen
Schloss darbey auff dem Bühel gelegen, hat vor zeyten Freyherren
gehept dis namens von Nänickon. Von irer regierung und abgang find ich
nichts. Es hat gar eine fruchtbare und schöne gelegenheit, zu der
herrschaft unnd dem Ampt Gryffensee gehörig.“[8]
Da
es ausser denen von Stumpf keine Hinweise auf eine Burg auf dem
Näniker Bühl gibt, meint Paul Kläui 1964, dass mit der Burg Nänikon
nicht eine solche auf dem Bühl, sondern das spätere Schloss Greifensee
gemeint sei. Erst mit den Ausgrabungen von 1992–94 bekommt Stumpf in
Bezug auf die Burg recht. Was aber die von Stumpf angesprochenen
Freiherren von Nänikon anbelangt, so wissen wir nicht, ob er damit die
im 13. Jh. genannten Ritter meint. Jedenfalls werden im 13. Jh. keine
Freiherren (Nobiles) von
Nänikon erwähnt.
Für Forscher stellen die
Grabungsergebnisse auf dem Bühl eine kleine Sensation dar. Für den
Laien hingegen sind sie nicht ganz so einfach nachzuvollziehen, weil
von den ergrabenen mittelalterlichen Bauten nur die Fundamente mehr
oder weniger gut erhalten geblieben sind. Um die Grabungsergebnisse
möglichst verständlich erläutern zu können, hat die Kantonsarchäologie
für die Stadt Uster eine Auswahl von Photos digitalisiert und die
Erlaubnis erteilt, die Rekonstruktionen und einen Teil des
publizierten Bildmaterials hier zu veröffentlichen. Dieses
Bildmaterial folgt nach unseren Ausführungen.
Literatur
Hoek, Florian; Illi, Martin;
Langenegger, Elisabeth und Stebler-Cauzzo, Anna: Burg – Kapelle –
Friedhof. Rettungsgrabungen in Nänikon bei Uster und Bonstetten
(Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 26). Zürich und Egg 1995.
(http://verlag.fotorotar.ch/verlag/index.cfm?fuseaction=product.display&Product_ID=70)
Nänikon
Bühl – Bilder der archäologischen Ausgrabung von 1992–94
http://verlag.fotorotar.ch/verlag/index.cfm?fuseaction=product.display&Product_ID=70
Die wissenschaftlichen Farbphotos wurden von
der Kantonsarchäologie Zürich
http://www.are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/archaeologie/archaeologie.html
für uns eingescant. Die im Terrain
aufgenommenen Bilder stammen vom März und April 1993. Die Fundstücke
wurden 1994 photographiert.
Die hier veröffentlichten Photos,
Rekonstruktionen und Zeichnungen dürfen nur mit Einwilligung der
Kantonsarchäologie weiterverwendet werden.
Die Kantonsarchäologie stellt diverse Prospekte
zu den archäologischen Zeugnissen unseres Kantons zur Verfügung, z. B.
hier:
http://www.are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/archaeologie/archaeologie/Veroeffentlichungen.html
Manuel Wolfensberger vom Gemeindeverein Nänikon
erlaubte uns freundlicherweise die Verwendung seiner farbigen
Überblicksphotos von 1993 (vielleicht Februar, eher aber März), welche
die Ausgrabungsarbeiten dokumentieren.
Der Gemeindeverein Nänikon hält weitere
Informationen zur Ausgrabung online bereit:
http://www.naenikon.ch/ueber/chronik/chronik.htm
Nänikon
Bühl
– Photos zum Überblick über die Grabung von 1992–94 Manuel Wolfensberger vom
Gemeindeverein Nänikon hat im Februar oder März 1993 Photos von der
Ausgrabung geschossen. Sie illustrieren die Ausgrabung und die Arbeit
der Archäologen. Übersichtplan
der
Grabung Der Plan gibt einen Überblick über
die ausgegrabenen Strukturen. Dabei sind links der Wohnturm, oben die
Kapelle, unten die Friedhofsmauer und der Umfassungsgraben sowie die
verschiedenen Gräber hervorzuheben. Hier die detaillierte Legende der
Kantonsarchäologie
Die Rekonstruktionszeichnungen
zeigen, wie man sich die bauliche Entwicklung auf dem Bühl in etwa
vorstellen kann: 1. Turm mit Graben und Zisterne. 2. Turmruine und
Kapelle. 3. Kapelle mit Friedhofsmauer. Hier wird die Variante
bevorzugt, dass die Kapelle erst nach dem Turmbrand entstanden ist. Es
kann jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die Kapelle
schon vor dem Turmbrand Bestand hatte. Der
mittelalterliche
Wohnturm (12. Jh.)
Die
Fundamente des Turmes in Nänikon sind relativ schlecht erhalten, was
besonders im Vergleich zu den Fundamenten in Bonstetten klar
ersichtlich wird. Dennoch ist der Grundriss des Näniker Wohnturmes zu
rekonstruieren. Die Überreste von Holzbalken und Brettern, welche im
Turminnern entdeckt wurden, weisen sogar auf ein Holzgeschoss im
Innern des Turmes hin. Die Holzreste konnten annäherungsweise datiert
werden (Dendrochronologie), so dass der Turmbau im Laufe des 12. Jh.s
und ein Umbau am Ende desselben Jh.s angenommen werden können. 212
Geschossspitzen
aus dem Turm – in einer Truhe!?
Nebst der Geschossspitzen wurden
ein Schloss, ein Schlüssel, Eisengriffe (Truhengriffe oder vielleicht
Türgriffe?), Zierknöpfe, zwei Schliessen und weitere Eisenfunde
geborgen. Dies sind Metallteile, welche zu Truhen, anderen Möbeln und
Türen passen. Es ist plausibel aus diesen Funden eine Truhe zu
rekonstruieren, auch wenn der eine oder andere Fund vielleicht zu
einem anderen Gegenstand gehörte. Die Geschossspitzen sind alle an
einem Ort konzentriert geborgen worden. Diese Fundsituation weist auf
einen Behälter zur Aufbewahrung der Geschosse hin, am ehesten auf eine
Truhe. Die
Kapelle Auch von der Kapelle ist relativ
wenig erhalten geblieben. Ein Teil der Fundamente wurde schon vor der
Grabung weggeräumt, so dass das Vorhandensein dieser
Fundamentabschnitte höchstens als jüngere Auffüllschicht im Erdreich
festgestellt werden kann. Mit Hilfe der archäologischen Pläne lassen
sich die lückenhaften Mauerreste jedoch gut einordnen. Chorbereich
der Kapelle.
Photo: Kantonsarchäologie ZH, 1993029-146913.jpg. Rechts vom
Photo findet sich zur Orientierung ein Planausschnitt.
Zuvorderst sieht man den Rest des Altars (zweite Phase),
dahinter die Fundamentreste der Ost- und Südmauer des Chores und
rechts daran anschliessend die Fundamente des Schiffes. Im
Vordergrund sind die Fundamente wahrscheinlich schon anlässlich
einer früheren archäologischen Ausgrabung zerstört worden. Oben: Übersichtsplan der
Kapelle, welcher alle Befunde aufzeichnet. Zur Rekonstruktion der Kapelle von Nänikon: Die
Lazariterkirche in Gfenn Mit der
Näniker Kapelle auf dem Bühl ist die unweit gelegene Kirche
der Lazariter in Gfenn bei Dübendorf verwandt: Auch hier
handelt es sich um eine Saalkirche mit quadratischem Chor. Der
Orden des heiligen Lazarus errichtete die Gfenner Kirche etwa
zur selben Zeit, als in Nänikon die Kapelle auf dem Bühl
erbaut wurde. Auch die
Gfenner Kirche hat die Zeit nicht unbeschadet überstanden:
Nachdem sie als Wohnhaus gedient hatte, wurde sie nach einem
1956 erfolgten Brand in ihren möglichst urtümlichen Zustand
zurückgeführt. Das
Bauvolumen entspricht bis auf die Treppengiebel links (15.
Jh.?) dem ursprünglichen Zustand aus dem 1. Drittel des 13.
Jh.s und wiedergibt somit ein plausibles Bild zur
Rekonstruktion der Kapelle auf dem Bühl. Die zur Romanik
zählenden Rundbogenfenster dürften auch zum ursprünglichen
Baubestand gehören, während die spitzbogigen Maueröffnungen
(Gotik) jüngeren Umbauten zuzuordnen sind. Photo:
Fabrice Burlet, Sommer 2011. Der
Friedhof Vom Friedhof konnte eine
stattliche Anzahl Gräber geborgen werden. Zudem wurde ein grosser Teil
der ehemaligen Friedhofsmauer freigelegt. Friedhofsmauer
Während
die Fundamente bei Turm und Kapelle nur noch bruchstückhaft
vorhanden waren, waren jene der Friedhofsmauer zusammenhängend
erhalten geblieben. Zur besseren Situierung zeigen wir nebst
dem Bild der Friedhofsmauer (M2) einen Planausschnitt. Doppelbestattung Photo:
Kantonsarchäologie ZH, 1993029-146890.jpg Von den
zahlreichen Gräbern wird hier ein Doppelgrab präsentiert, das
unmittelbar südlich der Kapelle (bei der Ecke Schiff-Chor)
lag. Dabei handelt es sich um das Grab zweier Frauen (Nr. 101
& 104). Beide wurden mit gekreuzten Beinen bestattet.
Rechts der beiden Frauen sind zwei weitere Bestattungen
festzustellen (Nr. 100 und 26).
Die
212 Geschossspitzen wurden im Innern des Turmes gefunden (vgl. Plan
der Streuung der Spitzen).
Kapelle
–
Zwei Bauphasen
Die Kapelle lässt sich als Saalbau mit einem eingezogenen, annähernd
quadratischen Chor im Osten rekonstruieren. Diesen Kirchentypus findet
man immer wieder bei kleineren Kirchen und Kapellen. Im Gegensatz dazu
waren wichtigere Kirchen – wie z.B. die Pfarrkirche von Uster – meist
dreischiffig: Das Langhaus war durch Pfeiler oder Säulen in drei Schiffe
unterteilt. Bei der Kapelle von Nänikon genügte es das Langhaus als ein
einziges Schiff resp. einen Saal zu gestalten, an dem im Osten der Chor
anschloss
ANHANG
–
Ein repräsentatives, aber schwer datierbares Architektur-Element
Bossenquader
mit
Randschlag an der Fassade des Burgturms von Uster. Die Turmfassaden sind
heute im Innern der Schule zu bestaunen (Photo: Fabrice Burlet, 2012).
Bossenquader(resp.
Buckelquader) mit Randschlag waren ein repräsentatives Element, das
einem mittelalterlichen Bau einen besonders wehrhaften Charakter
verlieh, aber im statischen und militärischen Sinn dem Bau keine
grössere Stabilität garantierte. Dabei handelt es sich um Steinquader,
bei denen man absichtlich eine Bosse resp. einen Buckel auf der
Aussenseite des Steines stehen lässt und diesen mit einem glatten Rand
umgibt. Bossenquader mit Randschlag demonstrierten die Bedeutung der
Burgherren, welche sich die aufwendige Steinbearbeitung überhaupt
leisten konnten (und wollten). Aus Kostengründen findet man die teuren
Bossenquader oft nur als Eckquader von Steinbauten, während die Fassade
selbst aus wenig behauenen und deswegen billigeren Steinen besteht. Beim
überwiegenden Teil des Baumaterials wählte man immerhin noch teure,
genau aufeinander passende Quader (Quadermauerwerk) oder aber ein
billiges Sammelsurium von aufgelesenen Flusssteinen und wenig
zugehauenen Bruchsteinen, das mit viel Mörtel zusammengemauert wurde.
Besonders aufwendig
war der Bau jener Burgen, bei welchen nicht nur der Turm, sondern die
gesamte Burgfassade mit Bossenquadern mit Randschlag versehen wurde.
Solche Burgen findet man beispielsweise im Elsass; sie sind jedoch in
unserem Raum bis anhin kaum bekannt. In unserer Gegend ist die Kyburg
erwähnenswert, wo nebst dem Bergfried (Hauptturm) der daran angebaute
Palas (Wohnbau) – zumindest auf der Aussenseite der Burg – vollständig
mit Bossenquadern versehene Fassaden aufwies. Es scheinen jedoch in
unserer Gegend keine Burgen bekannt zu sein, die vollumfänglich mit
Bossenquadern geschmückt waren.
Hingegen
gibt es einige Burgtürme, deren Fassaden damit gebildet wurden. Als
Beispiele aus der Nachbarschaft seien Grüningen, Kyburg und
Alt-Wülflingen genannt sowie der vordere Schwertturm in der Stadt
Zürich.
Auf
der
Kyburg findet man romanische Doppelfenster im Bossenquadermauerwerk des
Wohngebäude integriert (Photos: Fabrice Burlet, 2012).
Die
Datierung von mittelalterlichem Mauerwerk ist und bleibt nicht einfach,
wenn das Mauerwerk keine besonderen Schmuckelemente – so z. B. besonders
verzierte Fenster, Gewölbe, Säulen, plastische Elemente wie Statuen (vor
allem in Kirchen) etc. – aufweist, welche dank ihren Formen und ihrem
Stil relativ genau zu datieren sind, und wenn keine datierbaren Hölzer
vorhanden sind. Die Bossenquader mit Randschlag treten bei uns ab dem
13. Jh. auf. Im 12. Jh. sind sie in unserer Gegend im Gegensatz zum
Elsass äusserst selten (oder noch nicht korrekt datiert). Nach dem 13.
Jh. findet man die Buckelquader bis in die Zeit um 1900 herum. Weil es
sich dabei immer um dasselbe Bauprinzip handelt, kann man diese Art der
Mauergestaltung nicht auf das Jahrzehnt genau datieren. Auch
stilistische Elemente wie ältere romanische Rundbogenfenster und neuere
gotische Spitzbogenfenster helfen uns nicht weiter, da der romanische
Stil zum Teil parallel zu gotischen Elementen weiterlebte. Der Forscher
kann einen Turm also nur tendenziell nach seinem Gespür eher dem frühen
13. Jh. oder dem späten 13. Jh. zuordnen
Darum
war es ein Glücksfall, dass beim mit Bossenquadern versehenen Wohnturm
von Kastellen (LU) die Datierung von Hölzern (1252d) und die ersten auf
der Burg ausgestellten Urkunden Graf Hartmanns des jüngeren von Kyburg
zeitlich zusammenpassten. Für Uster liegen uns zwar Urkunden vor,
allerdings keine datierten Hölzer.
Auf
der
Burg Alt-Wülflingen in der Gegend von Winterthur liegt die Ruine eines
Turmes, dessen Fassaden – wie in Uster – aus Bossenquadern mit
Randschlag besteht (Photo: Fabrice Burlet, 2011).
[1]
Gerade in Winterthur und Oberwinterthur (Kläuis Vergleichsbeispiel)
haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass der dreischiffige
Grundriss nicht ein ursprüngliches Bauprogramm widerspiegelt,
sondern das Produkt mehrerer Bauphasen ist.
[2]
Der Hinweis auf den ersten Kreuzzug ist Rainer Hugener zu verdanken.
[3]
Kläui, Uster, S. 84–85 mit Anmerkung 4.
[4]
Bei einer Renovation des heutigen Kirchenbodens wäre zu achten, ob
wirklich alle Überreste der alten Kirche beseitigt worden sind und
sich eine archäologische Ausgrabung wirklich nicht mehr lohnt.
[5]
Nun ist Kläuis Vergleich des Ustermer Burgturmes mit jenem der
Winterthurer Mörsburg und anderen Türmen obsolet, da die
Vergleichstürme nicht aus dem 11. Jh., sondern aus dem 13. Jh.
stammen und weil ausgerechnet der ursprüngliche Turm (11./12. Jh.?)
der Mörsburg im 13. Jh. durch Beifügen einer Ummantelung der älteren
Turmmauer in seiner Mauerstärke in etwa verdoppelt wurde.
[6]
Kunstdenkmäler, S. 407, wo Stumpf, fol. 124r zitiert wird.
[7]
Kunstdenkmäler, S. 407, wo Stumpf, fol. 124r zitiert wird.
[8]
Burg – Kapelle – Friedhof, S. 53, zitiert Johannes Stumpf, Schweizer
Chronik, 6. Buch, Zürich 1547, fol 125v.