Burg und alte Kirche vor 1823 Stadtarchiv Uster

Inhalt

Die alte St.-Andreas-Kirche in Uster
Burg Uster
Nänikon Bühl – Burg, Kapelle und Friedhof
Nänikon Bühl – Bilder der archäologischen Ausgrabung von 1992–94
Anhang: Bossenquader mit Randschlag


Mittelalterliche Bauten auf dem Gemeindeboden von Uster vor 1300.

Fabrice Burlet

Aus der Zeit Ausschnitt Wildkarte bis ins 13. Jh. haben sich auf dem heutigen Gemeindeboden kaum Gebäude erhalten. Wir wissen also in archäologischer Hinsicht fast nichts. Ebenso sprechen die Urkunden im 13. Jh. nur Burg und Kirche an. 1300 werden bei der Verpfändung der Herrschaft Greifensee Höfe genannt (der Loubishof in Uster, zu dem die Kirche gehörte, je ein Hof in Niederuster, Nossikon, Werrikon und Nänikon), was deren Existenz nachweist, aber nichts über ihr Aussehen aussagt. Somit ist die Siedlungsstruktur kaum zu fassen. Denn erst ab dem 15. Jh. sind verschiedene Kapellen und allenfalls die ältesten Teile gewisser Bauernhäuser nachweisbar.

Immerhin lässt sich für die Zeit bis 1300 über drei Örtlichkeiten etwas aussagen: 1. Die Burg Uster, 2. die alte Kirche Uster und 3. Burg und Kapelle auf dem Bühl in Nänikon. Von der mittelalterlichen Burg Uster haben sich Baureste im heutigen Schloss erhalten, während auf dem Bühl in Nänikon anlässlich einer Überbauung die Fundamente eines Turmes und einer Kapelle archäologisch untersucht werden konnten. Über die alte Kirche Uster, welche an der Stelle der heutigen Kirche stand, sind wir nur dank Bildern und eines Planes unterrichtet.

 

 



Inhalt

 

Die alte St.-Andreas-Kirche in Uster 

Beschreibung

Die alte Kirche von Uster wurde 1823 abgebrochen, um der heutigen Kirche zu weichen. Ihr Aussehen ist dank Zeichnungen und einem Plan mehr oder weniger bekannt. Diese Zeichnungen sind nicht unbedingt detailgetreu, da es den Künstlern oft nicht um Detailtreue ging, sondern um eine künstlerische Gesamtschau von Uster oder von Kirche und Burg. Auch bei den detailgetreuen Zeichnern ist man nicht unbedingt bei jedem Detail sicher, was nun der Künstler darstellen wollte und was er wirklich gesehen hatte.

Dennoch kann man sich ein Gesamtbild der 1823 abgebrochenen Kirche machen: Es handelte sich um eine dreischiffige Kirche, welche am Hang erbaut worden war. Deswegen war das Terrain gegen Westen erhöht, im Osten aber etwas abgetragen worden. Das Langhaus hatte vier Joche. Die drei Schiffe waren durch Pfeiler voneinander getrennt. Das unebene Gelände und möglicherweise frühere Bauphasen (?) hatten zur Folge, dass die Arkaden im Norden breiter waren, während der Chor mit Polygonabschluss leicht gegen Süden gedreht war. Am östlichen Ende des südlichen Seitenschiffes stand der quadratische Glockenturm. Das nördliche Seitenschiff wurde von einer Kapelle, der St. Peter- oder Landenberger-Kapelle, abgeschlossen. Der Ostabschluss der Kapelle war im Innern halbrund, gegen aussen jedoch gerade. Im Norden war eine Sakristei an die Kapelle angebaut worden.

In die Kirche gelangte man durch den grossen, spitzbogigen Westeingang sowie über eine kleinere Tür in der Südfassade. Über dem Westeingang befand sich ein grosses (Masswerk-?) Fenster. Die Westfassade war zudem durch zwei Strebepfeiler gegliedert, welche in der Verlängerung der Arkaden im Kircherinnern standen. Die Seitenschiffe scheinen beide durch gotische Masswerkfenster beleuchtet worden zu sein. Die drei Kirchenschiffe waren durch ein einheitliches Satteldach gedeckt. Die ehemalige Ustermer Kirche kann somit als Staffelhalle bezeichnet werden.

Der zum Teil aus grossen, regelmässig zugespitzten Steinquadern bestehende Glockenturm war durch horizontale „Gesimse“ gegliedert und von einem achteckigen Spitzhelm gekrönt. Im obersten Geschoss befand sich die Uhr. Das zweitoberste Geschoss wies gekoppelte Rundfenster auf.



Inhalt

Die bisherige Hypothese zur Bauentwicklung und deren kritische Hinterfragung

 

Aus dem Kirchengrundriss und den zeichnerischen Darstellungen heraus kann man versuchen verschiedene Bauphasen herauszuarbeiten. Nach Kläui und nach Gubler, der auf die Recherchen des ersteren aufbaute, kann man sich die Baugeschichte folgendermassen vorstellen:

 

1. Die romanische, 1099 geweihte Kirche: eine dreischiffige, vierjochige Pfeilerbasilika mit einem auf Mittelschiffbreite eingezogenen Chor und Turm (ohne die „Landenbergerkapelle“ am östlichen Ende des Nordseitenschiffes). Das Mittelschiff war einiges höher als die Seitenschiffe, so dass es oben Fenster aufwies (Basilika).

 

2. Die 1353 erfolgte Verlängerung des nördlichen Seitenschiffes durch eine Kapelle (Kläuis „Landenbergerkapelle“).

 

 

 

3. Der zwischen 1469 und 1473 erfolgte Umbau der Kirche zur Staffelhalle beinhaltete, die Erhöhung der Seitenschiffwände, die Schaffung des einheitlichen Dachstuhles über die drei Schiffe, den Umbau der Westfassade (Strebepfeiler, gotische Tür und Fenster), die Schaffung von grösseren mit Masswerk geschmückten Fenstern auf der Nordseite (und vielleicht analog dazu auf der Südseite) und den Anbau der Sakristei an die Landenbergerkapelle. Möglicherweise ist damals auch der polygonale Chor entstanden. Jedenfalls wurde der Chor samt der Sakristei 1669 (auf altem Grundriss?) neu errichtet.

 

Doch die hier geschilderte Bauabfolge ist nicht gesichert. Paul Kläui selbst hatte schon auf die Unsicherheiten bei der Beurteilung des Grundrisses und der Zeichnungen hingewiesen, um dennoch diese Abfolge vorzuschlagen. Dabei stützte er sich zusätzlich zum Bildmaterial auf das Jahrzeitbuch von 1469–73 und auf den vergleichbaren Kirchengrundriss der Kirche von Oberwinterthur.

 

 

 

 

Gemäss neueren Forschungen sind gerade die verschiedenen Entwicklungsschritte der Kirchen von Winterthur und Oberwinterthur Beispiele dafür, dass eine erste Kirche immer wieder umgebaut und verändert werden konnte, so dass der Kirchengrundriss allein (insbesondere bei einem unregelmässigen Grundriss), ohne archäologische Untersuchungen nichts über die bauliche Entwicklung aussagt. Der nicht ganz regelmässige Ustermer Kirchengrundriss kann somit als Indiz für eine komplexere Bauabfolge der alten Kirche gewertet werden. Die Bauabfolge von Kläui und Gubler nimmt also an, dass ein romanischer Kirchenbau den 1823 bekannten Grundriss massgeblich beeinflusst hat. Doch ist diese Annahme nicht zwingend. Vielleicht war die Entwicklung der Kirche von Uster um einiges komplizierter, als es der uns bekannte Kirchengrundriss nach erster Betrachtung vermuten lässt.[1] Wir können somit nicht sicher sein, ob der Kirchengrundriss eine eher einfache bauliche Entwicklung einer ursprünglichen romanischen Kirche widerspiegelt oder das komplexe Produkt mehrer Bauphasen seit dem Frühmittelalter darstellt.

 

Gehen wir jedoch wie Kläui davon aus, dass es sich bei der 1823 abgebrochenen Anlage um eine dreischiffige romanische Kirche handelte, welche insbesondere im 15. Jh. einenm grösseren Umbau unterworfen wurde, so ist die von Kläui und Gubler vorgeschlagene Bauabfolge nicht zwingend. Denn auch bei der Annahme einer ursprünglichen romanischen Basilika kann man sich die Bauabfolge durchaus anders vorstellen. Die Problematik der Sache beginnt schon mit dem Gründungsjahr 1099.

 

Kläui geht davon aus, dass die Kirche erst 1099 errichtet und geweiht wurde. Vielleicht wurde die Kirche tatsächlich anlässlich eines Neubaus 1099 neu geweiht. Doch ist das Jahrzeitbuch von Uster, das aus dem 15. Jh. stammt, keine zuverlässige Quelle. Hätte man im 15. Jh. die Kirchengeschichte nicht mehr gekannt, so hätte man eine Gründungsgeschichte erfinden müssen. Fände man das Jahr 1099 auch in einem älteren Dokument, wäre es als Jahr der Weihe erwiesen. 1099 ist zwar als Jahre der Weihe nicht unmöglich, doch nicht besonders wahrscheinlich. Der Weihebericht vom 30. November 1099 ist auf der ersten Seite des Jahrzeitbuchs von 1469–73 aufgenommen worden und dient zusammen mit Abschriften von Ablässen und weiteren Notizen dazu, die Geschichte der Kirche und ihrer Altäre zu präsentieren. Zudem wird die Bedeutung der Landenberger, welche die Kirche ab 1300 besassen, schon in der Gründungsgeschichte betont. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung des 15. Jh.s, welche damals bekannte Elemente in die Vergangenheit projiziert. So sei am 30. November 1099 nebst dem Hauptaltar auch der über dem Landenberger Grab liegende Petrusaltar geweiht worden. Doch gab es 1099 noch keine Herren von Landenberg und somit auch kein Landenberger Grab. Dem um 1470 schreibenden Verfasser des Jahrzeitbuches ging es also nicht um eine wahre Geschichte, sondern um die Aufzeichnung einer für den Leser plausibel wirkenden Geschichte der Kirche von Uster, welche aktuelle Elemente mit einer weit zurück liegenden Vergangenheit verknüpfte.


Das Datum 30. November ist passend gewählt, denn es ist das Fest des Apostels Andreas, dem die Ustermer Kirche geweiht war. Doch ist es fraglich, ob Bischof Gebhard von Konstanz den Altar des heiligen Andreas tatsächlich am treffenden Festtag weihen konnte. Also könnte das Datum konstruiert sein. Ebenso kann das Jahr 1099 eine Fiktion sein, denn ausgerechnet in diesem Jahr wurde Jerusalem anlässlich des ersten Kreuzzuges von den Christen erobert.[2] Auch wenn die erste Seite des Jahrzeitbuches eine fiktive Geschichte, eine Projektion der Zustände des 15. Jh.s, auf die Vergangenheit darstellt, ist eine „wahre“ Grundlage für das Jahr 1099 nicht völlig ausgeschlossen.

Nehmen wir das Jahr 1099 als richtig an, so ist dies nicht zwingend das Baujahr der ersten Ustermer Kirche. Denn eine 1099 erfolgte Weihe eines Kirchenneubaus schliesst die Existenz einer älteren, seit dem Frühmittelalter bestehenden Kirche ganz und gar nicht aus. 1099 könnte somit ebenso gut als das Jahr der Weihe eines Neubaus und Ersatzes einer älteren Kirche gedeutet werden.

Wie dem auch sei, können wir der Idee einer romanischen Kirche um 1100 und somit das Jahr 1099 als richtig annehmen, insofern wir es nicht als bewiesene Tatsache betrachten wollen.  Schreiten wir den von Kläui und Gubler vorgeschlagen Weg fort, so wird ersichtlich, dass ihre Interpretation nicht zwingend ist, aber der (Neu-?) Bau einer Kirche um 1100 durchaus Sinn machen kann. Denn der Kirchengrundriss könnte vom Grossmünster beeinflusst sein. Wo sind nun mögliche romanische Elemente zu suchen und wo nicht?

 

Wenn man den Kirchengrundriss genauer betrachtet, so wird klar, dass der dreischiffige Grundriss und insbesondere der Bereich der St.-Peter- oder Landenbergerkapelle eine gewisse Parallele zum um 1100 begonnenen Grossmünster hat: die hintermauerte resp. aussen gerade abgeschlossene Apsis. Deswegen könnte man annehmen, dass ein 1099 in Uster geweihter Kirchenbau durchaus Elemente aus dem sich zur gleichen Zeit in Bau befindenden Grossmünster übernahm.

Was den Kirchturm angeht, so kann er in seinem Grundriss aus der Zeit um 1100 stammen, auch wenn in dieser Zeit nicht an jeder Kirche auf der Landschaft ein Turm zu erwarten ist. Damals gab es natürlich schon seit langer Zeit Kirchtürme. Doch gibt es auch Gründe gegen einen Ustermer Glockenturm um 1100: die gekoppelten romanischen Fenster im zweitobersten Geschoss (Uhr und Helm sind nach dem Einsturz des Turmhelms von 1655 neu errichtet worden) müssen nicht aus der Zeit um 1100 stammen. Im Gegenteil: Auf den meisten Abbildungen erscheinen sie späteren Datums zu sein (15./16. Jh.?) und nicht dem romanischen Baustil anzugehören. Gerade dort, wo Doppelfenster wirklich der Romanik zu entsprechen scheinen, ist der Verdacht auf eine viel jüngere, nachgeahmte Romanik nicht von der Hand zu weisen. Zudem könnten die waagrechten Gesimse am Turm aus dem 15./16. Jh. stammen und nicht zur Romanik gehören. Ebenso scheinen die Ecksteine der oberen Turmpartie auch einiges jünger zu sein. Gleiche Unsicherheiten herrschen auch für die unteren Turmpartien: Zuunterst ist so etwas wie eine vermauerte Arkade zu sehen: Wenn es sich dabei nicht um den Gewölbeansatz des Chores handelt, so ist der Turm erst nachträglich entstanden, was die Zumauerung einer früheren Arkade zur Folge hatte. Sicher ist: Der Kirchturm hatte im Jahr 1553 Bestand. Damals wurden nämlich Verhandlungen für einen neuen, verstärkten Glockenstuhl geführt. Damit bleibt unklar, ob der Turm Teil einer um 1100 erstellten Basilika sein könnte oder erst später beigefügt worden ist.

Was den polygonalen Chorabschluss anbelangt, so macht es mit Blick auf andere Kirchen Sinn, dass er im 15. Jh. entstanden ist, um 1669 erneuert zu werden.

Somit könnte es sein, dass die mutmassliche ursprüngliche Pfeilerbasilika schon die St.-Peterskapelle beinhaltete und wenn keinen Turm, so vielleicht einen ähnlichen Ostabschluss des südlichen Seitenschiffes wie im Norden (St.-Peterskapelle) aufwies. Oder sollten wir im letzteren Fall analog zur Grossmünster-Südseite an eine ganz gewöhnliche Apsis denken? Jedenfalls werfen wir nun einen Blick auf die St. Peterskapelle, die wir auch mit dem Grossmünster vergleichen können, von Kläui jedoch auf das Jahr 1353 datiert wird.

Der von Kläui 1353 angesetzte Bau der St.-Peters- oder „Landenberger-Kapelle“ ist kaum zu halten, da der zitierte Auszug aus dem Ustermer Jahrzeitbuch zum Jahre 1353 von einer Reliquienschenkung durch Otto von Rinegg an Hermann von Landenberg spricht, jedoch keine Bauarbeiten erwähnt. Unmittelbar vor der Reliquienschenkung von 1353 wird im Jahrzeitbuch die 1099 erfolgte Weihe des Peter-Altars genannt, der sich in der Kapelle neben dem (Haupt-)Altar und über dem Grab der Landenberger befinden soll. Auch wenn dieser Textausschnitt mit der Nennung eines Landenberger Grabes 1099 fiktiv ist,  würde er den Altar und wohl damit die Kapelle – d.h. den Ostabschluss des nördlichen Seitenschiffes – vor 1353 ansetzen. Wichtig ist, dass 1353 von keinen Bauarbeiten die Rede ist. Ebenso werden auf Seite 3 des Jahrzeitbuches Schenkungen der Landenberger zugunsten der Kirche Uster aus dem Jahre 1350 genannt, um von etwa zeitgleichen Beurkundungen der Landenberger gefolgt zu werden: die Gründung der Kapelle (heutige Kirche) in Greiffense, die Gründung der dortigen Schlosskapelle, die Spenden für das ewige Licht in der St. Peterskapelle und die Gründung einer Pfründe am Altar derselben Kapelle. Hingegen wird weder von der Gründung einer Kapelle in der Ustermer Kirche, noch von Bauarbeiten gesprochen. Damit lässt sich weder der eigentliche Bau der St. Peterskapelle datieren, noch das dortige Landenberger Grab, das mit dem Erwerb der Kirche Uster durch das Geschlecht von Landenberg im Jahre 1300 überhaupt möglich wurde. Immerhin wurde laut Kläui die Umgebung des Altars verändert, insofern dieser nicht verschoben wurde.

Um die Spenden der Landenberger zugunsten der Kirche Uster mit Bauarbeiten – in unserem Falle mit dem Bau einer neuen Kapelle – in Verbindung zu bringen, bräuchte es mehr Anhaltspunkte, als nur die Überlegungen, dass Spenden auch zum Bau verwendet werden können. Auch wäre es nahe liegend, dass beim Empfang von Reliquien, bei der Spende eines Lichtes und der Dotation einer Pfründe am St. Petersaltar der Altar selbst und seine Umgebung gewisse Modernisierungen erfahren haben dürften. Weder ist dies erwiesen, noch kann über den Umfang solcher vermutlichen Arbeiten eine Aussage getroffen werden. Schlussendlich gibt dies Kläui selbst zu, indem er in der zu 1353 passenden Fussnote folgendes anmerkt: „Das Datum der Reliquienschenkung 1353 dürfte mit dem Bau der Petruskapelle zusammenfallen,“[3] um auf eine weitere Begründung für seine im Text immer wiederkehrende Landenbergerkapelle aus dem Jahre 1353 zu verzichten. Will man eine 1099 geweihte romanische Kirche in Betracht ziehen, so sind meiner Meinung nach der Vergleich mit dem Grossmünster und ein schon um 1100 erfolgter Bau von Kläuis „Landenberger-Kapelle“ plaubibler als ein bereits 1100 bestehender Kirchenturm.

 

Fazit: Zeugnisse der alten Kirche von Uster sind der Grundrissplan und die zeichnerischen Darstellungen. Sie zeigen den Zustand der Kirche vor ihrem Abbruch und damit ihr Erscheinungsbild des 15. Jh., das einige Änderungen des 17. Jh.s aufweist. Ältere Kirchenteile sind kaum mit Sicherheit auszumachen. Es kommen drei Varianten in Frage: 1. Die Kirche ist das Produkt mehrer Bauphasen, welche einen dreischiffigen Grundriss nicht von Anfang an vorsahen. 2. die Variante einer romanischen Kirche in jener Art, wie sich Kläui und Gubler eine solche vorstellten, und 3. die hier vorgebrachte Variante einer romanischen Kirche mit anderen Bauphasen, als es Kläui und Gubler postulierten. Zudem lässt sich die durchaus mögliche Existenz einer frühmittelalterlichen Kirche in Uster nicht beweisen.

Vielleicht wäre es lohnend, wenn ein Architekturhistoriker die Bilder der Kirche nochmals unter die Lupe nähme. Vielleicht kommt er nicht weiter als das hier berichtete oder vielleicht doch![4]

 

 

Literatur

 

Beck, Marcel: Die Patrozinien der ältesten Landkirchen im Archidiakonat Zürichgau (Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft; Band 17, Heft 1), Zürich 1933, S. 120–123.

Gubler, Hans Martin: Die Kundstenkmäler des Kantons Zürich. Band 3. Die Bezirke Pfäffikon und Uster, Basel 1978, S. 372–382.

Kläui, Paul: Geschichte der Gemeinde Uster, Zürich 1964, S. 38–45 (=Kapitel 5), insbesondere S. 38–40 für die (angebliche?) Weihe von 1099 und die Baugeschichte, und S. 82–103 (=Kapitel 10), wobei S. 84–85 mit Anmerkung 4 die St.-Peters- oder Landenberger-Kapelle behandelt.

Schmaedecke, Felicia: Die reformierte Kirche St. Arbogast in Oberwinterthur: Neuauswertung der Ausgrabungen und Bauuntersuchungen 1976-1979, mit Beiträgen von Daniel Grütter [et al.] (Zürcher Archäologie 20). Zürich 2006.

 


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Burg Uster  

Die Baugeschichte der Burg Uster lässt sich anhand des archäologischen Befundes – in unserem Falle des erhaltenen mittelalterlichen Turmstumpfes – und mit Hilfe der ab dem 15./16. Jh. einsetzenden und ab dem 18. Jh. zahlreichen Bildquellen und den späteren Schriftquellen recht gut skizzieren. Die Zeit ab 1500 ist dank Kläui und Gubler gut erforscht.

 

Als erstes ist festzuhalten, dass nicht feststeht, ab wann in Uster eine Burg bestand. Darüber Aufschluss geben könnten nur archäologische Untersuchungen im Untergrund des Burgareals. Solange solche ausbleiben, wissen wir nicht einmal, ob es möglich ist, aus dem Boden Informationen zu einer Vorgängerburg zu sammeln oder umgekehrt die Existenz einer solchen zu widerlegen. Des weiteren stellt sich die Frage, ob die ursprüngliche Burg nur den heutigen Turm mit Anbauten – die heutige Schlossschule – oder die gesamte kleine Bergkuppe „Burg“ umfasste (Kleine Turmburg oder grosse Burg?). Im Übrigen wäre die Frage nach einer früheren Besiedlung der heute noch unbesiedelten Teile des Burghügels zu prüfen. Es ist nämlich nicht unmöglich, dass sich schon die Kelten auf dem Stauberberg niedergelassen hatten.


Die 1964 von Paul Kläui vorgeschlagene Burg aus dem 11. Jh. ist nicht beweisbar, da sowohl seine historischen (u.a. auf gefälschten Dokumenten basierend), als auch seine archäologischen Erwägungen[5] widerlegt worden sind.

 

Ältester bekannter Bestandteil der mittelalterlichen Burg Uster ist der Stumpf eines quadratischen Turmes, welcher den unteren Teil des heutigen Turmes bildet. Dieser Turm hat einen Grundriss von 11.06m x 11.06m. Seine Aussenfassaden waren einst vollständig mit Bossenquadern (oder Buckelquadern) mit Randschlag verkleidet, was auf einen bedeutenden Burgherrn hinweist (Bossenquader mit Randschlag)

Der Turm von Uster kommt dem Turm der Burg Grüningen am nächsten: Beide Türme waren mit Bossenquadern mit Randschlag geschmückt und weisen einen fast identischen Grundriss auf. Doch kennt man bei beiden Türmen die ursprüngliche Höhe nicht, da ihr oberer Teil nicht mehr existiert. Als Beispiel für einen (fast) in seiner gesamten Höhe erhaltenen Bossenquaderturm ist der Wohnturm der Burg Alt-Wülflingen (Gde Winterthur) zu nennen, wo wahrscheinlich nicht viel mehr als die den Turm krönenden Zinnen verloren gegangen sind.

Während der Kunstdenkmäler-Autor Hans Martin Gubler schon 1978 den Ustermer Turm – im Gegensatz zu Kläuis Datierung ins 11. Jh. – nicht vor 1200 ansetzte, hat Reicke den Turm wie die meisten derartigen Türme ins 13. Jh. datiert und wahrscheinlich bewusst auf einen genaueren Datierungsvorschlag verzichtet. Solche Türme sind schwer datierbar, ohne andere Hinweise als die Bossenquader selbst. Der Turm von Uster scheint mir kaum Ende des 13. Jh.s entstanden zu sein. Doch fehlen bauliche Argumente, um ihn eher kurz nach 1200 oder um 1250 herum anzusetzen.

 

Urkunden helfen weiter. Es gibt gute Hinweise dafür, dass die Freiherren (Nobiles) von Bonstetten spätestens 1267/68 auf der Burg Uster waren. 1267 erscheint Hermann von Bonstetten genannt von Uster in einer Urkunde; 1268 urkundet Ita von Teufen, Gemahlin des Johannes von Wetzikon (Johannes ist wahrscheinlich ein Bonstetter mit Sitz in Wetzikon) zweimal auf der Burg Uster. – Die Burg wird also 1268 erstmals erwähnt! – In einer der beiden Urkunden ist Hermann von Bonstetten als Zeuge genannt. Deswegen ist anzunehmen, dass die Bonstetter 1267/68 sich in ihrem kurz zuvor (um 1250?) erbauten Turm, wenn nicht etwas älteren Turm aufhielten (War der Turm schon im Auftrag des 1219 erwähnten Heinrich von Uster – ein Bonstetter? – erbaut worden?). Danach ist der Fall klar: Die Bonstetter sind die Besitzer der Burg Uster. Dies ist so klar, dass in keiner Urkunde über die Besitzesverhältnisse der Burg spekuliert wird. Die Burg Uster wird erst 1330 als Besitz der Bonstetter erwähnt. Darum ist der Beginn der Bonstetter Herrschaft in Uster schwer festzusetzen (Beginn des 13. Jh., 1267/68 oder ab 1300?). Es mag am Anfang  der Bonstetter Herrschaft Streitereien um die Burg Uster innerhalb des Adels gegeben haben. Doch waren diese früher oder später vorbei, so dass die wenigen Urkunden nach diesem Zeitpunkt nur noch die Bonstetter Herrschaft bestätigen. Die Freiherren von Bonstetten waren damit zu Freiherren von Uster geworden.

Ob die Burg Uster um 1267/68 – wie später auf Bildern ersichtlich – nur aus dem Turm und einer ihn umschliessenden Ringmauer bestand und somit eine ganz kleine Fläche einnahm (die Verkleinerung einer früheren und grösseren Burg?) oder den ganzen Burghügel umfasste, ist unbekannt. Wir wissen nur von der Existenz des Turmes, dessen frühere Höhe unbekannt ist, und dass die Nobiles von Bonstetten spätestens von 1300 bis 1534 im Besitze der Burg blieben.

 

Ab der Zeit um 1500 herum ist die Baugeschichte der Burg Uster relativ gut nachvollziehbar. 1492 brannte die Burg ab. Deswegen wurde neben dem Turm ein Holzhaus errichtet. Dies ist in der Chronik von Johannes Stumpf nachzulesen: „Anno domini 1492 verbran das Schloßz zu Ustri in Grund. Die Bonstetten ließend die ausgebrennten mauren lær ston und bauwtend ein schœn hauß von holtzwerck darnebend.“[6]

1526 brannte auch das Holzhaus ab. In der Folge wurde der Turm umgebaut und die Treppengiebel wurden geschaffen. Die Bauarbeiten waren wahrscheinlich 1529 beendet. Dieser Bauzustand ist auf zahlreichen alten Abbildungen zu erkennen. Auch hier stammt unser Wissen von Stumpf: Batt von Bonstetten liess nach den Brand den „Turm oben abwerffen und ein schœn geheüß … drauf setzen.“[7]


1752/53 liess Hauptmann Wilhelm Schärer von Zürich den Turm ausbessern und erbaute zwei kleine Wohntrakte auf der Süd- und Südostseite des Turmes. Danach folgten zwei grössere und einschneidende Umbauphasen.

 

1852/53 liess Capsar Caspar Heer die Treppengiebel des Turmes abbauen. Sie wurden durch einen Zinnenkranz und nach Einsprachen aus der Bevölkerung durch ein „Belvedere“ in der Mitte der Turmzinne ersetzt. Zudem wurden der Turm und die Anbauten aus der Zeit Schärers von einem zweigeschossigen Baukörper ummantelt.

 

Sein heutiges Aussehen erhielt das Schloss Uster beim historisierenden Umbau von 1917–1919. Damals wurden Zinnenkranz und Belvedere samt den obersten zwei Turmgeschossen abgebrochen. Man rekonstruierte die oberen Geschosse und die ab 1529 (?) bestehenden Treppengiebel. Zudem wurde die bisherige Befensterung vereinheitlicht. Trotz den Bemühungen um die Rekonstruktion eines mittelalterlichen Aussehens, ist der heute existierende obere Teil des Schlossturmes eine etwas roh geratene Kopie des Zustandes um 1529.




Literatur

Gubler, Hans Martin: Die Kundstenkmäler des Kantons Zürich. Band 3. Die Bezirke Pfäffikon und Uster, Basel 1978, S. 405–412.

Kläui, Paul: Hochmittelalterliche Adelsherrschaften im Zürichgau, in: Mitteilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich Bd. 40 Heft 1 (1958), S. 37, 47–49.

Kläui, Paul: Geschichte der Gemeinde Uster, Zürich 1964, S. 30–37 (=Kapitel 4), S. 45–49 (=Kapitel 6) und S. 409–410, wobei die historischen Überlegungen zu den Winterthurern in Uster ein Konstrukt sind (ausführlicher in Kläui, Adelsherrschaften, S. 38–46), sowie für den Bau selbst insbesondere S. 45–46.

Reicke, Daniel: «von starken und grossen flüejen.» Eine Untersuchung zu Megalith- und Buckelquader-Mauerwerk an Burgtürmen im Gebiet zwischen Alpen und Rhein, (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 22, hsg. v. Schweizerischen Burgenverein) Basel 1995, S. 133–134 (S. 125–127 für Grüningen, S. 128–129 für Kasteln und S. 125 für Alt-Wülflingen).

 


 

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Nänikon Bühl – Burg, Kapelle und Friedhof

 

Nachdem Ende 1992 in Hinblick auf eine Überbauung Vorsondierungen vorgenommen worden waren, wurden 1993–94 archäologische Ausgrabungen auf dem Näniker Bühl gemacht. Auch wenn die Arbeiten zügig vorankamen und dabei gewisse Erdbereiche maschinell ausgehoben werden mussten (Informationsverlust!), sind überraschende Relikte unserer Vergangenheit zum Vorschein gekommen: 1. die Überreste einer Burg, 2. eine Kapelle samt Friedhof.

Von der Burg konnten die Fundamtente eines Turmes sowie Teile des Burggrabens nachgewiesen werden. Der Turm, der als Wohnturm gedeutet werden kann, hatte einen annähernd quadratischen Grundriss von ca. 8.5/10m x 9.5/10m und stammt gemäss der Datierung von verkohlten Hölzern aus dem 12. Jh. Neben dem Turm befand sich eine Filterzisterne, welche wahrscheinlich das Wasser vom Turmdach aufnahm.

Der Turm fiel im ersten Drittel des 13. Jh.s einer Brandkatastrophe zum Opfer. Die Brandursache ist ungeklärt. Die Fundsituation macht es wahrscheinlich, dass die hölzernen Geschosse des Turmes samt einer Truhe, welche 212 Geschossspitzen beinhaltete, beim Brand in die Tiefe stürzten. Jedenfalls wurden die 212 Geschossspitzen und die eisernen Bestandteile, welche gut zu einer Truhe passen, nahe beieinander entdeckt.

 

Im 13. Jh. wurde neben dem Turm eine Kapelle errichtet. Bei dieser Kapelle handelte es sich um einen Saalbau mit eingezogenem Chor. Masse: 14m x 8,5m aussen resp. 11,5m x 6m innen für das Kirchenschiff; 3,5m x 4,5m innen für den Chor. Die Kapelle beinhaltete eine Chorschranke, welche den Chorbereich von der restlichen Kirche, dem Laienbereich, trennte. Um die Kapelle herum befand sich der Friedhof. Es scheint, dass die Kapelle erst nach dem Turmbrand entstanden ist. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass Turm und Kapelle für kurze Zeit gemeinsam Bestand hatten.

 

Im frühen 15. Jh. (?) wurde die Chorschranke entfernt und ein Bretterboden in die Kapelle eingezogen. Zur wahrscheinlich gleichen Zeit errichteten die Dorfbewohner von Nänikon eine Friedhofsmauer. Die Kapelle erscheint 1418 erstmals im Jahrzeitbuch von Uster (um 1470 verfasst), in welchem auch fromme Stiftungen für die Kapelle aus dem Kreise der Dorfbevölkerung verzeichnet wurden. Sie war dem heiligen Johannes geweiht.

Die Kapelle wurde Ende 15. Jh.s oder anfangs 16. Jh. aufgegeben. Der Versuch eine neue Kapelle im Dorf selbst zu etablieren, wurde nach der Reformation offenbar durch die Zürcher Obrigkeit unterbunden, denn es kam nur zum Bau des Kapellenturmes.

 

Während die Kapelle immerhin in Quellen des 15. Jh.s auftaucht, wird die Burg in keinem zeitgenössischen Dokument erwähnt. Hingegen erscheinen im 13. Jh. Ritter von Nänikon, ohne dass ein Zusammenhang dieser Ritter zur Burg bewiesen werden kann. In seiner Schweizer Chronik spricht Stumpf 1547 nur noch von einer abgegangenen Burg, aber nicht von der Kapelle:

 

„Auff der rechten seyten, schier umb die mitte des Sees, zwüschend Ustri und Gryffensee dem stättle, ein wenig vom See hindan, ligt ein dorff in die pfarr Ustri gehörig, genennt Nänickon, mit einem alten zergangnen Schloss darbey auff dem Bühel gelegen, hat vor zeyten Freyherren gehept dis namens von Nänickon. Von irer regierung und abgang find ich nichts. Es hat gar eine fruchtbare und schöne gelegenheit, zu der herrschaft unnd dem Ampt Gryffensee gehörig.“[8]

 

Da es ausser denen von Stumpf keine Hinweise auf eine Burg auf dem Näniker Bühl gibt, meint Paul Kläui 1964, dass mit der Burg Nänikon nicht eine solche auf dem Bühl, sondern das spätere Schloss Greifensee gemeint sei. Erst mit den Ausgrabungen von 1992–94 bekommt Stumpf in Bezug auf die Burg recht. Was aber die von Stumpf angesprochenen Freiherren von Nänikon anbelangt, so wissen wir nicht, ob er damit die im 13. Jh. genannten Ritter meint. Jedenfalls werden im 13. Jh. keine Freiherren (Nobiles) von Nänikon erwähnt.

 

Für Forscher stellen die Grabungsergebnisse auf dem Bühl eine kleine Sensation dar. Für den Laien hingegen sind sie nicht ganz so einfach nachzuvollziehen, weil von den ergrabenen mittelalterlichen Bauten nur die Fundamente mehr oder weniger gut erhalten geblieben sind. Um die Grabungsergebnisse möglichst verständlich erläutern zu können, hat die Kantonsarchäologie für die Stadt Uster eine Auswahl von Photos digitalisiert und die Erlaubnis erteilt, die Rekonstruktionen und einen Teil des publizierten Bildmaterials hier zu veröffentlichen. Dieses Bildmaterial folgt nach unseren Ausführungen.

 

Literatur 

Hoek, Florian; Illi, Martin; Langenegger, Elisabeth und Stebler-Cauzzo, Anna: Burg – Kapelle – Friedhof. Rettungsgrabungen in Nänikon bei Uster und Bonstetten (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 26). Zürich und Egg 1995.

(http://verlag.fotorotar.ch/verlag/index.cfm?fuseaction=product.display&Product_ID=70)

  


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Nänikon Bühl – Bilder der archäologischen Ausgrabung von 1992–94

 

Ein Teil der Bilder – die Schwarzweiss-Scans – wurde dem 1995 erschienen Buch zu den Ausgrabungen in Nänikon und Bonstetten „Burg – Kapelle – Friedhof “ entnommen:

http://verlag.fotorotar.ch/verlag/index.cfm?fuseaction=product.display&Product_ID=70

Die wissenschaftlichen Farbphotos wurden von der Kantonsarchäologie Zürich

http://www.are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/archaeologie/archaeologie.html

für uns eingescant. Die im Terrain aufgenommenen Bilder stammen vom März und April 1993. Die Fundstücke wurden 1994 photographiert.

Die hier veröffentlichten Photos, Rekonstruktionen und Zeichnungen dürfen nur mit Einwilligung der Kantonsarchäologie weiterverwendet werden.

Die Kantonsarchäologie stellt diverse Prospekte zu den archäologischen Zeugnissen unseres Kantons zur Verfügung, z. B. hier:

http://www.are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/archaeologie/archaeologie/Veroeffentlichungen.html

 

Manuel Wolfensberger vom Gemeindeverein Nänikon erlaubte uns freundlicherweise die Verwendung seiner farbigen Überblicksphotos von 1993 (vielleicht Februar, eher aber März), welche die Ausgrabungsarbeiten dokumentieren.

 

Der Gemeindeverein Nänikon hält weitere Informationen zur Ausgrabung online bereit:

http://www.naenikon.ch/ueber/chronik/chronik.htm

 

 

 

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Nänikon Bühl – Photos zum Überblick über die Grabung von 1992–94

Manuel Wolfensberger vom Gemeindeverein Nänikon hat im Februar oder März 1993 Photos von der Ausgrabung geschossen. Sie illustrieren die Ausgrabung und die Arbeit der Archäologen.


 

 

Übersichtplan der Grabung

Der Plan gibt einen Überblick über die ausgegrabenen Strukturen. Dabei sind links der Wohnturm, oben die Kapelle, unten die Friedhofsmauer und der Umfassungsgraben sowie die verschiedenen Gräber hervorzuheben.

Hier die detaillierte Legende der Kantonsarchäologie


Die bauliche Entwicklung auf dem Bühl – Rekonstruktionen

Die Rekonstruktionszeichnungen zeigen, wie man sich die bauliche Entwicklung auf dem Bühl in etwa vorstellen kann: 1. Turm mit Graben und Zisterne. 2. Turmruine und Kapelle. 3. Kapelle mit Friedhofsmauer. Hier wird die Variante bevorzugt, dass die Kapelle erst nach dem Turmbrand entstanden ist. Es kann jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass die Kapelle schon vor dem Turmbrand Bestand hatte.

 

Der mittelalterliche Wohnturm (12. Jh.)

 

 

Die Fundamente des Turmes in Nänikon sind relativ schlecht erhalten, was besonders im Vergleich zu den Fundamenten in Bonstetten klar ersichtlich wird. Dennoch ist der Grundriss des Näniker Wohnturmes zu rekonstruieren. Die Überreste von Holzbalken und Brettern, welche im Turminnern entdeckt wurden, weisen sogar auf ein Holzgeschoss im Innern des Turmes hin. Die Holzreste konnten annäherungsweise datiert werden (Dendrochronologie), so dass der Turmbau im Laufe des 12. Jh.s und ein Umbau am Ende desselben Jh.s angenommen werden können.

 

 

 

 

 

 

 

212 Geschossspitzen aus dem Turm – in einer Truhe!?

 

 

 

Die 212 Geschossspitzen wurden im Innern des Turmes gefunden (vgl. Plan der Streuung der Spitzen).

Nebst der Geschossspitzen wurden ein Schloss, ein Schlüssel, Eisengriffe (Truhengriffe oder vielleicht Türgriffe?), Zierknöpfe, zwei Schliessen und weitere Eisenfunde geborgen. Dies sind Metallteile, welche zu Truhen, anderen Möbeln und Türen passen. Es ist plausibel aus diesen Funden eine Truhe zu rekonstruieren, auch wenn der eine oder andere Fund vielleicht zu einem anderen Gegenstand gehörte. Die Geschossspitzen sind alle an einem Ort konzentriert geborgen worden. Diese Fundsituation weist auf einen Behälter zur Aufbewahrung der Geschosse hin, am ehesten auf eine Truhe.

 

 

 

 

 








 

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Die Kapelle

Auch von der Kapelle ist relativ wenig erhalten geblieben. Ein Teil der Fundamente wurde schon vor der Grabung weggeräumt, so dass das Vorhandensein dieser Fundamentabschnitte höchstens als jüngere Auffüllschicht im Erdreich festgestellt werden kann. Mit Hilfe der archäologischen Pläne lassen sich die lückenhaften Mauerreste jedoch gut einordnen.

Chorbereich der Kapelle. Photo: Kantonsarchäologie ZH, 1993029-146913.jpg. Rechts vom Photo findet sich zur Orientierung ein Planausschnitt. Zuvorderst sieht man den Rest des Altars (zweite Phase), dahinter die Fundamentreste der Ost- und Südmauer des Chores und rechts daran anschliessend die Fundamente des Schiffes. Im Vordergrund sind die Fundamente wahrscheinlich schon anlässlich einer früheren archäologischen Ausgrabung zerstört worden.


Kapelle – Zwei Bauphasen


Oben: Übersichtsplan der Kapelle, welcher alle Befunde aufzeichnet.

Rechts: Unterscheidung der beiden Bauphasen. In der ersten Phase, aus welcher das Gros der Kapelle stammt, entstand eine Chorschranke, welche danach wegfiel. Die Existenz eines Altars lässt nur für die zweite Bauphase nachweisen. Zur zweiten Bauphase gehören die Balken eines Bretterbodens.


Die Kapelle lässt sich als Saalbau mit einem eingezogenen, annähernd quadratischen Chor im Osten rekonstruieren. Diesen Kirchentypus findet man immer wieder bei kleineren Kirchen und Kapellen. Im Gegensatz dazu waren wichtigere Kirchen – wie z.B. die Pfarrkirche von Uster – meist dreischiffig: Das Langhaus war durch Pfeiler oder Säulen in drei Schiffe unterteilt. Bei der Kapelle von Nänikon genügte es das Langhaus als ein einziges Schiff resp. einen Saal zu gestalten, an dem im Osten der Chor anschloss
Im Saal waren die Laien; im Chor (Presbyterium), wo sich der Altar befand, hielt der Priester die Messe. Da man zunächst etwas mehr Platz für den Priesterbereich vorsah, zog man in der ersten Bauphase eine Chorschranke durch das Kirchenschiff, um den Chorbereich etwas nach Westen in den Saal hinein zu verlängern.


Zur Rekonstruktion der Kapelle von Nänikon: Die Lazariterkirche in Gfenn

Mit der Näniker Kapelle auf dem Bühl ist die unweit gelegene Kirche der Lazariter in Gfenn bei Dübendorf verwandt: Auch hier handelt es sich um eine Saalkirche mit quadratischem Chor. Der Orden des heiligen Lazarus errichtete die Gfenner Kirche etwa zur selben Zeit, als in Nänikon die Kapelle auf dem Bühl erbaut wurde.

Auch die Gfenner Kirche hat die Zeit nicht unbeschadet überstanden: Nachdem sie als Wohnhaus gedient hatte, wurde sie nach einem 1956 erfolgten Brand in ihren möglichst urtümlichen Zustand zurückgeführt.

Das Bauvolumen entspricht bis auf die Treppengiebel links (15. Jh.?) dem ursprünglichen Zustand aus dem 1. Drittel des 13. Jh.s und wiedergibt somit ein plausibles Bild zur Rekonstruktion der Kapelle auf dem Bühl. Die zur Romanik zählenden Rundbogenfenster dürften auch zum ursprünglichen Baubestand gehören, während die spitzbogigen Maueröffnungen (Gotik) jüngeren Umbauten zuzuordnen sind.

 

Photo: Fabrice Burlet, Sommer 2011.

 

Der Friedhof

Vom Friedhof konnte eine stattliche Anzahl Gräber geborgen werden. Zudem wurde ein grosser Teil der ehemaligen Friedhofsmauer freigelegt.

Friedhofsmauer


Photo: Kantonsarchäologie ZH, 1993029-146900.jpg

 

Während die Fundamente bei Turm und Kapelle nur noch bruchstückhaft vorhanden waren, waren jene der Friedhofsmauer zusammenhängend erhalten geblieben. Zur besseren Situierung zeigen wir nebst dem Bild der Friedhofsmauer (M2) einen Planausschnitt.

 

 



Doppelbestattung

 

Photo: Kantonsarchäologie ZH, 1993029-146890.jpg

 

Von den zahlreichen Gräbern wird hier ein Doppelgrab präsentiert, das unmittelbar südlich der Kapelle (bei der Ecke Schiff-Chor) lag. Dabei handelt es sich um das Grab zweier Frauen (Nr. 101 & 104). Beide wurden mit gekreuzten Beinen bestattet. Rechts der beiden Frauen sind zwei weitere Bestattungen festzustellen (Nr. 100 und 26).


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ANHANG

Bossenquader mit Randschlag

Ein repräsentatives, aber schwer datierbares Architektur-Element

 


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Bossenquader mit Randschlag an der Fassade des Burgturms von Uster. Die Turmfassaden sind heute im Innern der Schule zu bestaunen (Photo: Fabrice Burlet, 2012).

 

 

Bossenquader(resp. Buckelquader) mit Randschlag waren ein repräsentatives Element, das einem mittelalterlichen Bau einen besonders wehrhaften Charakter verlieh, aber im statischen und militärischen Sinn dem Bau keine grössere Stabilität garantierte. Dabei handelt es sich um Steinquader, bei denen man absichtlich eine Bosse resp. einen Buckel auf der Aussenseite des Steines stehen lässt und diesen mit einem glatten Rand umgibt. Bossenquader mit Randschlag demonstrierten die Bedeutung der Burgherren, welche sich die aufwendige Steinbearbeitung überhaupt leisten konnten (und wollten). Aus Kostengründen findet man die teuren Bossenquader oft nur als Eckquader von Steinbauten, während die Fassade selbst aus wenig behauenen und deswegen billigeren Steinen besteht. Beim überwiegenden Teil des Baumaterials wählte man immerhin noch teure, genau aufeinander passende Quader (Quadermauerwerk) oder aber ein billiges Sammelsurium von aufgelesenen Flusssteinen und wenig zugehauenen Bruchsteinen, das mit viel Mörtel zusammengemauert wurde.

Besonders aufwendig war der Bau jener Burgen, bei welchen nicht nur der Turm, sondern die gesamte Burgfassade mit Bossenquadern mit Randschlag versehen wurde. Solche Burgen findet man beispielsweise im Elsass; sie sind jedoch in unserem Raum bis anhin kaum bekannt. In unserer Gegend ist die Kyburg erwähnenswert, wo nebst dem Bergfried (Hauptturm) der daran angebaute Palas (Wohnbau) – zumindest auf der Aussenseite der Burg – vollständig mit Bossenquadern versehene Fassaden aufwies. Es scheinen jedoch in unserer Gegend keine Burgen bekannt zu sein, die vollumfänglich mit Bossenquadern geschmückt waren.

Hingegen gibt es einige Burgtürme, deren Fassaden damit gebildet wurden. Als Beispiele aus der Nachbarschaft seien Grüningen, Kyburg und Alt-Wülflingen genannt sowie der vordere Schwertturm in der Stadt Zürich.


Auf der Kyburg findet man romanische Doppelfenster im Bossenquadermauerwerk des Wohngebäude integriert (Photos: Fabrice Burlet, 2012).

 

Die Datierung von mittelalterlichem Mauerwerk ist und bleibt nicht einfach, wenn das Mauerwerk keine besonderen Schmuckelemente – so z. B. besonders verzierte Fenster, Gewölbe, Säulen, plastische Elemente wie Statuen (vor allem in Kirchen) etc. – aufweist, welche dank ihren Formen und ihrem Stil relativ genau zu datieren sind, und wenn keine datierbaren Hölzer vorhanden sind. Die Bossenquader mit Randschlag treten bei uns ab dem 13. Jh. auf. Im 12. Jh. sind sie in unserer Gegend im Gegensatz zum Elsass äusserst selten (oder noch nicht korrekt datiert). Nach dem 13. Jh. findet man die Buckelquader bis in die Zeit um 1900 herum. Weil es sich dabei immer um dasselbe Bauprinzip handelt, kann man diese Art der Mauergestaltung nicht auf das Jahrzehnt genau datieren. Auch stilistische Elemente wie ältere romanische Rundbogenfenster und neuere gotische Spitzbogenfenster helfen uns nicht weiter, da der romanische Stil zum Teil parallel zu gotischen Elementen weiterlebte. Der Forscher kann einen Turm also nur tendenziell nach seinem Gespür eher dem frühen 13. Jh. oder dem späten 13. Jh. zuordnen

Darum war es ein Glücksfall, dass beim mit Bossenquadern versehenen Wohnturm von Kastellen (LU) die Datierung von Hölzern (1252d) und die ersten auf der Burg ausgestellten Urkunden Graf Hartmanns des jüngeren von Kyburg zeitlich zusammenpassten. Für Uster liegen uns zwar Urkunden vor, allerdings keine datierten Hölzer.

 

 

Auf der Burg Alt-Wülflingen in der Gegend von Winterthur liegt die Ruine eines Turmes, dessen Fassaden – wie in Uster – aus Bossenquadern mit Randschlag besteht (Photo: Fabrice Burlet, 2011).

 

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[1] Gerade in Winterthur und Oberwinterthur (Kläuis Vergleichsbeispiel) haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass der dreischiffige Grundriss nicht ein ursprüngliches Bauprogramm widerspiegelt, sondern das Produkt mehrerer Bauphasen ist.

[2] Der Hinweis auf den ersten Kreuzzug ist Rainer Hugener zu verdanken.

[3] Kläui, Uster, S. 84–85 mit Anmerkung 4.

[4] Bei einer Renovation des heutigen Kirchenbodens wäre zu achten, ob wirklich alle Überreste der alten Kirche beseitigt worden sind und sich eine archäologische Ausgrabung wirklich nicht mehr lohnt.

[5] Nun ist Kläuis Vergleich des Ustermer Burgturmes mit jenem der Winterthurer Mörsburg und anderen Türmen obsolet, da die Vergleichstürme nicht aus dem 11. Jh., sondern aus dem 13. Jh. stammen und weil ausgerechnet der ursprüngliche Turm (11./12. Jh.?) der Mörsburg im 13. Jh. durch Beifügen einer Ummantelung der älteren Turmmauer in seiner Mauerstärke in etwa verdoppelt wurde.

[6] Kunstdenkmäler, S. 407, wo Stumpf, fol. 124r zitiert wird.

[7] Kunstdenkmäler, S. 407, wo Stumpf, fol. 124r zitiert wird.

[8] Burg – Kapelle – Friedhof, S. 53, zitiert Johannes Stumpf, Schweizer Chronik, 6. Buch, Zürich 1547, fol 125v.